Entscheidung des Sozialgerichts Dresden über ein Bett als Teilhabeleistung

Urteil vom 05.04.2022, Az.: S 21 SO 199/18

Die schwerbehinderte 30-jährige Klägerin mit einem GdB von 100, den Merkzeichen B, G, H, RF, der Pflegestufe III und Inkontinenz lebt im Haushalt ihrer Eltern und bezieht Grundsicherungsleistungen bei Erwerbsminderung.

Das bislang genutzte Jugenddoppelstockbett sollte durch ein neues gewichtangepasstes Doppelstockbett ersetzt werden. Zudem machte auch die Inkontinenz aus hygienischen Gründen eine Erneuerung von Bett und Matratzen erforderlich. Wenn nachts eine Matratze durch die Inkontinenz nass geworden war, wurde die Klägerin auf die zweite Matratze gebettet.

Die Klägerin wurde zudem nachts durch ein Bettgitter und einen Gurt gesichert.

Deshalb musste das neue Bett ein solches Bettgitter und die Aussparung für die Anbringung eines Beckengurtes besitzen. Aufgrund der Anpassungsschwierigkeiten der Klägerin mit Veränderungen sollte das neue Bett im Wesentlichen dem Aussehen des Jugendbettes entsprechen.

Da ein solches Bett nicht im Handel erhältlich war, sollte ein Tischler mit der Fertigung eines solches Bettes beauftragt werden.

Die Mutter der der Klägerin suchte persönlich eine Mitarbeiterin des Sozialhilfeträgers auf um das Prozedere der Beantragung der Kostenübernahme für das Bett zu besprechen.

Aufgrund der Überlastung der Mitarbeiter durch die Flüchtlingskrise 2015 sagte eine Mitarbeiterin der Mutter der Klägerin die Kostenerstattung mündlich zu. Sie solle das Bett in Auftrag geben und dann die Rechnung einreichen.

Die Mutter der Klägerin holte verschiedene Kostenvoranschläge ein und gab dann das Bett entsprechend dem geringsten Kostenvoranschlag in Auftrag.

Als sie dann die Rechnung beim Träger der Sozialhilfe einreichte, wurde die Klägerin an die Krankenkasse und nachfolgend an die Pflegekasse als zuständige Leistungsträger verwiesen.

Nach deren ablehnenden Entscheidungen lehnte auch der Träger der Sozialhilfe die Kostenerstattung ab.

Die Klägerin erhob gegen alle ablehnenden Entscheidungen der Krankenkasse, der Pflegekasse und des Trägers der Sozialhilfe Klage.

Wegen der unterschiedlichen Kammerzuständigkeiten wurden die Klagen gegen die Kranken- und Pflegekasse von der Klage gegen den Sozialhilfeträger abgetrennt.

Letztendlich waren die Klagen gegen die Kranken- und Pflegkasse nicht erfolgreich.

Zum Teil erfolgreich war aber die Klage gegen den Träger Sozialhilfe.

Das Gericht gründete den Klageanspruch auf §§ 53 ff. SGB XII als Teilhabeleistung, um der Klägerin die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen und sie soweit wie möglich von Pflege unabhängig zu machen.

Das Gericht verwies auf § 9 Abs. 2 Ziff. 12 Eingliederungshilfe-VO, demzufolge auch Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens als Hilfsmittel der Eingliederungshilfe in Betracht kommen.

Dass die Mutter der Klägerin den Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfe aufgrund der nichtzutreffenden Beratung durch den Träger der Sozialhilfe erst nach der Fertigung des Bettes eingereicht hatte, schadete dem Anspruch auf Kostenübernahme nicht, da die Mutter der Klägerin falsch beraten worden war.

Das Sozialgericht sprach der Klägerin einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu, so gestellt zu werden, wie sie gestanden hätte, wenn sie ordnungsgemäß beraten worden wäre. Bei richtiger Beratung hätte die Klägerin zunächst einen Antrag gestellt und nach dessen Bewilligung die Fertigung des Bettes in Auftrag gegeben.

Die nachträgliche Antragstellung schadete dem Anspruch somit nicht.

Nach § 17 Abs. 2 SGB XII hat der Träger der Sozialhilfe über die Art und das Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Nach der amtsärztlichen Einschätzung wäre ein Einzelbett (anstelle eines Doppelstockbettes) ausreichend gewesen.

Entsprechend den Berechnungen der Amtsärztin sprach das Sozialgericht der Klägerin eine Kostenerstattung in Höhe der hälftigen tatsächlichen Kosten zu.

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